Auch ich war einmal jung

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Wie doch die Zeit vergeht, wo sie hinkam ich weiß es nicht. So sitze ich im Schatten der Linde und denke über das Leben nach. Ja, auch ich war einmal jung und hab über das Alter nicht nachgedacht.

 

 

 

 

 

 

 

 

Da war ich nun, ein kleines hübsches Mädchen, das sagte meine Mama immer (welche Mama sagt das nicht?) In der Obhut der Familie vergingen die ersten Jahre sehr schnell, ich musste doch so viel für das Leben lernen, die Welt erforschen. Alles war doch so aufregend und interessant:

Mein Abenteuer „Leben“ begann!

Als Jugendliche konnte ich es nicht erwarten endlich älter zu werden, um länger aufbleiben zu dürfen, endlich am Abend auszugehen. Endlich den Führerschein machen, nicht mehr diese endlosen Fragen der Eltern beantworten zu müssen: „Wo gehst du hin, wer ist noch dabei, ihr macht doch keinen Blödsinn? und komm nicht zu spät nachhause“
Endlich 18, ich begann die Welt zu erkundigen, machte auch den einen oder anderen Blödsinn, durfte mich nun offiziell mit einem Freund zeigen. Wenn die Erwachsenen „NEIN“ sagten, konnte ich „JA“ sagen und dazu stehen.

Die Jahre vergingen und die Welt stand mir nun offen, ich stand voll im Leben, ach war ich super, ach wie war ich doch toll. Alles wusste ich besser als die Erwachsenen, ich bin doch schon Erwachsen, ich kenne mich doch aus!
Ich konnte ihre Ratschläge schon nicht mehr hören, immer hieß es : Mach es doch so, so ist es besser und nein, mach das nicht so. Wir sprechen doch aus Erfahrungen, sagten sie immer wieder zu mir. Was heißt Erfahrungen, ich weiß doch was ich mache und was ich will, was wollt ihr mir schon erzählen?

Auch ich war einmal jung-2Mit Elan, Tatendrang, Liebeskummer, Erfolg (auch Misserfolg) vergingen die Jahre, ich lernte die Menschen kennen, nicht alle waren gut, oft war ich auch zu leichtgläubig. (Später werde ich dann sagen, ich sammelte Erfahrungen!)
Nun begann ein weiterer Abschnitt in meinem Leben, ich gründete eine Familie und vieles wurde anders, mein Kind wollte ich beschützen, gab Ratschläge und gab meine Erfahrungen weiter.
Bin das wirklich ich? ich hör mich doch schon an, wie früher meine Eltern. Muss nicht jeder Mensch seine eigenen Erfahrungen sammeln, seine eigenen Fehler machen, waren das nicht meine Worte?
Fehler gehören zum Leben, wie das Salz in der Suppe, nach ein paar versuchen, weiß ich erst wieviel ich nehmen muss.
Heute weiß ich es, Eltern wollen für ihre Kinder nur das Beste, doch was ist das Beste?
Als Jugendlicher konnte ich das nicht wissen, woher auch, ich musste erst selbst Mutter werden, die Ängste und Sorgen selbst erleben. Nur was ich selbst erlebt habe, das kann ich richtig verstehen, über alles andere, kann ich nur eine Meinung haben.

Dann kam die Zeit, da stand ich in der Mitte des Lebens, da war die Jugend meines Kindes und das Alter meiner Mutter. Natürlich verstand ich manchmal beide nicht, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Zu dieser Zeit fühlte ich mich sehr gut und stark, war für mein Kind da und auch für meine Mutter, auch sie brauchte mich nun immer öfter. Ich war Erwachsen, aber noch nicht alt.
Es waren wieder Erfahrungen, die ich sammelte, es begann die Zeit da ich meiner Mutter sagte was gut und nicht gut für sie sei, was sie machen und was sie nicht machen sollte. Natürlich dachte ich, ich mach das Richtige, ich wollte doch nur das Beste für sie. Die einfachsten Dinge, wurden für sie zum großen Problem. Wie oft sagte ich zu ihr: „Mama trink doch etwas mehr, komm gehen wir spazieren“ Sie sagte dann: Ich habe keinen Durst oder mir tun die Gelenke so weh, lass mich doch in ruh. Was gab ich ihr doch für Ratschläge, wie oft ging ich ihr wohl auf die Nerven?
Und so stand ich zu dieser Zeit zwischen zwei Welten, die Welt der Jugend, die doch alles weiß und glaubt sie kann alles besser. (Ja, diese Zeit durchlebte ich ja auch). Und auf der anderen Seite, war die Welt des Alters (diese kannte ich noch nicht). Und doch glaubte ich zu wissen, was gut für meine alte Mutter sei. All das was ich sagte und tat, geschah nur in guter Absicht, genauso, wie sie es damals mit mir als Kind tat.

 

Weitere Jahre vergingen viel zu schnell und ohne Vorwarnung merkte ich plötzlich „ich bin alt“ ich denke nun viel an meine Mutter. All die Dinge die sie zu mir sagte, bekamen nun eine andere Bedeutung für mich. Sie hatte mit so vielen recht gehabt, wie gerne würde ich ihr das nun sagen.

Nun merke ich es auch, auch ich brauch nun die Hilfe meines Kindes immer öfter, viele Dinge verstehe ich nicht mehr. Meine Kräfte haben nachgelassen, meine Schritte sind langsamer geworden, meine Gelenke schmerzen. Die Technik wird für mich immer komplizierter, immer öfter brauch ich mein Kind dazu. Und ja, nun bekomme ich Ratschläge von meinem Kind, oder mein Kind sagt zu mir: „Das gibt es doch nicht, warum verstehst du das nicht?“  Dann sage ich zu ihm: Ich werde es nicht mehr erleben, aber wenn du so alt bist wie ich jetzt, wirst du an mich denken und sagen, Ja Mama, nun verstehe ich dich.
Doch noch geht es mir gut und ich sag mir: Das Alter hat auch seine schönen Seiten, ich reg mich über so vieles nicht mehr auf, ich sehe vieles gelassener. Ich lache über Dinge, die ich früher nicht so lustig fand und was ich früher lustig fand, darüber kann ich heute nicht einmal noch schmunzeln. So manches, was ich früher nicht getan hätte, kann ich mir nun erlauben und die Leute sagen: „Ach, lass doch die Alte“ Und noch etwas kann ich mir erlauben, ich höre nur noch das, was ich auch hören will.

Mein Kind, all das kannst du nicht verstehen, wie solltest du auch, woher sollst du es auch wissen? Nur was man selbst erlebt, kann man verstehen, alles andere kann man nur erahnen. So ist es, das nennt man Leben.

Auch ich war einmal jung und meine Mutter lehrte mir das Leben.
Später wurde auch ich Mutter und lehrte meinem Kind, das Leben!

 

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Über die Autorin
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Liselotte

Seit vielen Jahren schreibe ich leidenschaftlich gerne und halte meine Gedanken, inspiriert durch Schicksale, Lebensveränderungen oder Erlebnisse auf Papier fest. Manchmal lustig, manchmal traurig, aber immer ein wenig zum Nachdenken.
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