Es war der 2. Weihnachtsfeiertag, ein frostiger Morgen als ich mit meinem Hund eine der üblichen Runden drehte. Der Park war ruhig, nur das Rascheln der Bäume und die Laute eines Kauzes waren zu hören. Doch plötzlich blieb ich stehen, was ist das? Fragte ich mich.
Am Rande des Weges, fast versteckt unter einem Baum, lag etwas unter einer Decke versteckt. Es war schwer zu sagen, ob es sich um einen Menschen oder einfach nur um einige zusammengelegte Decken handelte. Ich ging ein paar Schritte weiter, doch etwas hielt mich an. Vielleicht war es ein Instinkt oder das Gefühl, dass hier etwas nicht stimmte. Also drehte ich um und ging zurück.
„Alles in Ordnung?“, fragte ich vorsichtig, als ich näherkam. Eine Person sah auf, und ich erkannte, dass es ein Mann war. Er schaute mich verwirrt an, seine Augen noch nicht ganz wach, und murmelte etwas von der Uhrzeit und ob die Geschäfte heute offen seien. Ein Ausdruck von Unklarheit und Erschöpfung lag in seinen Zügen, als ob er die Bedeutung des Feiertags nicht ganz erfasste.
„Kann ich helfen?“, wiederholte ich und versuchte, ihm mit einem Lächeln ein bisschen Sicherheit zu geben. Er sprach kein Deutsch, nur gebrochenes Englisch, was die Kommunikation noch schwieriger machte. Doch wir fanden schließlich eine kleine Verständigung. Es war klar, dass er Orientierung brauchte, nicht nur im Sinne von Zeit und Ort, sondern auch im Leben selbst.
Ich hatte ihn schon öfter im Park gesehen, besonders an den regnerischen Sommertagen, wenn er unter Dächer Zuflucht suchte. Doch heute schien er besonders verloren zu sein. Vielleicht war es die Kälte, vielleicht die Feiertage, die ihn noch mehr verwirrten.
„Hast du genug zu essen?“, fragte ich und drückte ihm etwas Bargeld in die Hand. Zuerst wollte er es nicht annehmen, doch nach einigem Zögern ließ er sich schließlich darauf ein. „Danke, danke“, sagte er immer wieder, seine Worte waren voll Dankbarkeit.
Es war mir ein wenig unklar, was ihn in den Park führte und wie lange er schon hier war. Nach einer kurzen Unterhaltung erfuhr ich, dass er aus Polen kam, schätzungsweise 30 bis 40 Jahre alt und schon seit Monaten in der Gegend unterwegs war. Man hatte ihm schon einmal etwas zu essen gebracht und sogar eine Jacke, doch aus Respekt hatte er sie nicht getragen, sondern ordentlich zusammengefaltet und sicher verstaut.
Ich dachte darüber nach, wie viel dieser Mann wohl schon durchgemacht haben musste, was hat er schon alles erlebt, um so ein Leben zu führen. Vielleicht war er einfach auf der Suche nach einem Ort, an dem er in Ruhe und Frieden fand. Es war klar, dass er niemandem etwas antat, keine Gefahr ausstrahlte, sondern einfach nur in einer Welt lebte, die sich ihm zuweilen verschloss.
Falls ihn jemand im Park oder in der Umgebung sieht – vor allem, wenn man Polnisch spricht – wäre es vielleicht eine Gelegenheit, mehr über seine Geschichte zu erfahren oder ihm zu helfen, so wie wir es eben tun können. Vielleicht braucht er nur ein wenig menschliche Nähe oder ein paar freundliche Worte.
Es gibt keinen Grund, sich vor ihm zu fürchten. Er belästigt niemanden, sondern zieht einfach nur ruhig durch den Park, in seiner eigenen Welt, die sich oft nicht mit unserer deckt. Aber manchmal sind es genau diese kleinen Begegnungen, die uns daran erinnern, wie wichtig es ist, hinzusehen, hinzuhören und einander zu helfen, wo wir können.
Was mag seine Geschichte sein? Welcher Weg hat ihn hierhergeführt, an diesen Punkt, an dem die Welt ihm so fern scheint? Vielleicht hat er sich selbst verloren in einem Moment der Schwäche oder in einer Kette von Entscheidungen, die ihm schließlich die Kontrolle entrissen. Vielleicht hat das Leben ihm eine Welle von Schicksalsschlägen entgegengeworfen, die selbst den Stärksten zu Fall bringen würden.
Es gibt unzählige Möglichkeiten, unzählige Wege, wie ein Mensch aus der Bahn geworfen werden kann. Manchmal ist es eine leise, schleichende Veränderung, die kaum spürbar beginnt, und manchmal ein lauter, vernichtender Sturm, der alles fortreißt. Doch wer sind wir, dass wir urteilen könnten? Niemand kennt die Wahrheit, die hinter seinem Blick liegt, die Narben, die verborgen unter der Oberfläche schlummern, oder den Kampf, den er täglich führt – vielleicht nur, um den nächsten Atemzug zu schaffen.
Wir sollten innehalten, bevor wir verurteilen. Denn jeder Mensch trägt eine Geschichte in sich, die gehört werden will. Vielleicht steckt in seiner die Lektion, die wir selbst eines Tages brauchen werden. Vielleicht birgt sie den Schlüssel zu einem tiefen Verständnis, zu einer Verbindung, die uns alle menschlicher macht. Nur wer zuhört, ohne zu urteilen, kann den wahren Wert eines Lebens erkennen.