Da hängt es nun so ganz allein, das letzte Blatt an ihren Baum, mit ganzer Kraft hält es sich noch fest am Ast. Alle anderen haben sich schon fallen lassen und werden in den Kreislauf der Natur einfließen.
Doch dieses letzte Blatt, es ist das stärkste dieses Baumes, es möchte noch nicht weg von ihrem schönen Platz. Noch einmal denkt es zurück an die Zeit, da es die Rinde ihres Astes durchbrach.
Die ersten Sonnenstrahlen im Frühling erwärmten den Boden und ihr Baum begann seine Äste zu strecken, er dehnte sich und neues Leben durchströmte seinen Stamm. Ganz langsam und zart kamen die ersten Blätter zu Tage, darunter war auch dieses letzte Blatt. Es streckte sich und faltete sich ganz aus, es drehte sich und blickte ganz entzückt in die Ferne. Es freute sich, eines von vielen zu sein, denn nur die vielen Blätter machten diesen Baum erst schön.
Es war ein schöner Frühling, rundherum begann alles zu sprießen und neues Leben entstand. Ein Vogelpaar hat ihr Nest in den Ästen gebaut, schön verdeckt durch die Blätter. Unser Blatt war dem Nest am nächsten, es war entzückt und verliebt in die Vögel. Drei Eier lagen in dem Nest und schon bald schlüpften die Jungen. Nun war was los in den Ästen, das Vogelpaar war den ganzen Tag beschäftigt, sie flogen unermüdlich hin und her um die Jungen zu versorgen, denn diese waren unersättlich, ihr Hunger riesengroß.
Geschützt von den Blättern, bewundert von unserem Blatt, wurden die Vöglein schnell flatterhaft. Das machte das Blatt nun doch etwas traurig, denn es fühlte sich verantwortlich für ihre Vögelchen. Doch den ganzen Sommer, kamen sie immer wieder zu ihren Baum zurück und zwitscherten dem Blatt die schönsten Liebeslieder vor. Und sie erzählten dem Blatt alles, was sich in der Umgebung tat.
Doch leider verging der Sommer viel zu schnell und die Nächte wurden schon kühler. Das Blatt ließ sich vom Wind gerne in den Schlaf wiegen und dann träumte es von der Schönheit ihres Platzes, was es alles erlebt hat und was es alles sah.
Ein reges Leben fand statt in ihren Baum, es kamen viele Käfer von verschiedener Art. Diese erzählten dem Blatt wie es in der Ferne war und wie ihr täglicher Kampf um das Überleben sei.
Das Blatt hörte sich all diese Geschichten an, war es doch gebunden an ihren Ast. Es war jedoch glücklich und lächelte vor sich hin, fühlte sich wohl und geborgen an diesen Ort.
So kam der Herbst, das Blatt bekam eine wunderschöne Farbe, es leuchtete in der Herbstsonne, als stünde es in Flammen. Die Tage wurden kälter und das Lächeln des Blattes schwächer.
Es musste zusehen wie die ersten Blätter, tanzend von den Ästen zu Boden schwebten. Eines nach dem anderen, fiel tanzend zu Boden und bald war der Boden um den Baum von den vielen Blättern zugedeckt. Dem letzten Blatt wurde immer kälter, es fehlte ihm der Schutz der anderen Blätter. Nun welkte dieses letzte Blatt und hielt sich noch fest, mit letzter Kraft.
Noch einmal wollte es ihre Vögelein sehn und ihnen danken für die vielen schönen Lieder in diesem Jahr.
So hing es schon schwach an ihren Ast, als plötzlich ein Flügelschlag zu hören war. Das Vöglein setzten sich dicht an das Blatt und zwitscherten zum Abschied noch ein Lied voller Leidenschaft. Danke meine lieben Vöglein, für die vielen schönen Lieder. Ich wünsche euch reichlich Futter für den kommenden Winter und das ihr nicht zu viel frieren braucht.
Nun ist die Zeit auch für mich gekommen, ich lass nun los und verabschiede mich von meinen Baum.
Mit einen letzten Blick über die Wiese, tanzt nun das letzte Blatt von ihren Baum und lässt sich vom Winde tragen. Der Wind er spielt mit dem Blatt, er lässt es tanzen, einen schönen langen Tanz. Ganz sanft landet es dann bei den anderen Blättern am Boden.
Es ist nicht traurig, war das Leben doch schön und am Ende wieder vereint mit den Lieben, so ist doch niemand allein. Da liegt nun das Blatt am Boden und es wird verschmelzen mit der Erde auf der es liegt. So gibt es seine Kraft dem Baume wieder und im Frühling wird er wieder erwachen mit neuer Kraft.
Ein Blatt von vielen war es, doch dieses eine machte es aus, es erzählte uns ihre Geschichte, die es ohne dieses Blatt nicht gäbe.
Es weht der Wind ein Blatt vom Baum, von vielen Blättern eines,
dies eine Blatt, man merkt es kaum, denn eines ist ja keines.
Doch dieses Blatt allein, war Teil von meinem Leben,
drum wird dieses Blatt allein, mir immer wieder fehlen.
Goethe