An diesem herbstlichen Abend treffen wir uns an einem Ort der Stille.
Ein Ort des Friedens, der uns verbindet.
Wir feiern das uralte keltische Fest Samhain, das am 31. Oktober begangen wird – den Übergang vom Herbst in den Winter. Seit über zweitausend Jahren wird dieses Ritual gefeiert. In dieser Nacht, so sagt man, öffnet sich das Tor zur Anderswelt: Die Grenze zwischen den Lebenden und den Verstorbenen wird durchlässig.
Wir stehen um das Lagerfeuer, der Rauch der Kräuter steigt empor – Kräuter, die wir im Sommer gesammelt und getrocknet haben. Dieses Räuchern ist mehr als ein alter Brauch: Es ist ein Zeichen der Verbundenheit, ein stiller Gruß an unsere Ahnen. Wir heißen sie sanft und respektvoll willkommen.
Denn Samhain ist nicht nur ein Fest – es ist ein Versprechen:
Dass Liebe, Erinnerung und Magie niemals vergehen, sondern in uns weiterflüstern.
Samhain ist kein Ruf ins Dunkle, kein Ort des Schreckens.
Es ist ein stilles Heimkommen, ein Innehalten zwischen den Zeiten.
Hier gibt es keine bösen Geister, sondern die sanfte Nähe jener, die uns geprägt haben.
Die Nacht ist nicht finster – sie ist tief. Und in dieser Tiefe liegt Wärme, Verbindung und das Wissen, dass alles, was wir lieben, weiterlebt – in Geschichten, in Gesten, im goldenen Licht eines kleinen Feuers.
Einige schreiben einen Brief – nicht, um ihn festzuhalten, sondern um die Worte loszulassen, sie wie Federn mit den Flammen in den Himmel steigen zu lassen.
Andere legen einen Apfel auf einen Teller, um ihn mit jenen zu teilen, die sie vermissen. Bei jedem Bissen lächeln sie, und ihre Gedanken reisen in die Vergangenheit.
Im Schein des Feuers flüstere ich leise:
Kommt, ihr Erinnerungen, nehmt mich an die Hand, tanzt mit mir – nur für einen kurzen Moment.
Ein Windhauch streift meine Wangen – vielleicht nur Einbildung, vielleicht aber auch nicht. Samhain erfüllt mich mit Leichtigkeit, Wachheit, sanfter Melancholie und stiller Kreativität. Es ist eine Zeit, in der die Welt langsamer atmet – und die Seele lauscht.
Abseits der Gruppe bleibe ich stehen. Meine Gedanken wandern zu meiner Mutter. In meiner Hand halte ich ihren alten, abgenutzten Schal, durchzogen von ihrem Duft.
Sie war eine Löwin – mit einem Humor, der selbst die dunkelsten Tage erhellte, und einer Liebe, wie sie nur eine Mutter hat. Oft stand sie vor leeren Vorräten, und doch zauberte sie uns mit unerschütterlichem Willen immer ein Mahl.
Ich lege den Schal auf einen moosigen Stein und entzünde ein kleines Feuer. Die Flammen tanzen, und mit jeder Bewegung spüre ich ihre Nähe.
„Mama, ich vermisse dich“, spricht mein Herz, schwer von Jahren ohne sie.
Da ist es – ein warmer Hauch, als streifte ihre Hand die meine. Ein leises, schelmisches Lachen in der Dunkelheit. Samhain löst die Grenze auf, und für einen Augenblick ist sie da: stark, lebendig, ganz nah.
Denn Samhain ist nicht nur ein Fest – es ist ein Versprechen:
Dass Liebe, Erinnerung und Magie niemals vergehen,
sondern in uns weiterleben.





