Ja, heute wage ich es. Heute will ich es wissen. Ich stelle mich dem Feind – dem Spiegel. Der schaut mich schon an, als hätte er gerade erfahren, dass Botox ausverkauft ist. Breitbeinig, trotzig und mit der Miene einer Frau, die weiß, dass sie gleich ein paar unbequeme Wahrheiten serviert bekommt, stelle ich mich der Realität. Angriffslustig und bereits mit ein paar antworten im Kopf, sehe ich mir mein Spiegelbild an.
Und was ich sehe? Nun ja, taufrisch ist was anderes. Das Haar? Eher „leicht bestäubt“ als „voluminös“. Die Falten in meinem Gesicht führen bereits eine hitzige Debatte um den besten Platz – Stirn oder Mundwinkel? Der Busen, einst stolz wie ein Pfau, heute eher wie zwei alternde Labradore, treu, anhänglich und weich. Die Oberarme? Sehen mich frech an und es ist, als würden sie sagen: „Wir sind noch da. Und bewegen uns zum Rhythmus deiner Bewegungen. Und wir nehmen uns die Freiheit mit Schwung nachzuschwingen.“
Meine Taille? Ich weiß noch, wo sie mal war. Heute ist sie wohl auf Weltreise – verschwunden, aber nicht vergessen. Dafür hat sie ordentlich Gepäck dagelassen. Die Beine? Früher schlanker, heute standfester. Aber hey – die Schuhgröße ist geblieben! Und auch wenn die Schuhe heute eher „bequem und praktisch“ sind, kann ich zur Not noch immer in High Heels stolzieren wie eine Diva auf dem Weg zum Bingo.
Ich starre mein Spiegelbild an, kritisch wie ein Juror bei „Germany’s Next Topmodel 70+“. Und frage: „Na, was meinst du, wie kannst du das ändern?“
Du willst eine Antwort? Haarverdichtung, Lifting, Winkefleisch – entfernen, Körperstraffung von Hals bis Fußknöchel. Alles machbar – mit Geld. Aber was hat sich dann verändert? Genau: Nichts. Ich bin immer noch 70+.
Die Knie knirschen, der Rücken flucht – aber hey, das Dekolleté lächelt. Schönheit hat eben ihren Preis, und der wird in Schmerzpunkten bezahlt.“
Kein Chirurg der Welt kann mir 50 draus schnitzen – höchstens eine sehr teure Illusion und Komplimente.
Also lache ich, wissend und mit einem Zwinkern meinem Spiegelbild entgegen. Ein bisschen schadenfroh, ein bisschen stolz. Denn für „mein Alter“ bin ich doch ganz ok. Ich werde mein Geld nicht den Schönheitschirurgen in den Rachen werfen – ich werde es in mein Inneres investieren. In Lebensfreude, in Genuss, in das, was wirklich zählt, Leben.
Mein Körper hat mir viele schöne Jahre geschenkt. Wir haben gelacht, geliebt, geweint, getanzt – und ja, auch gekämpft. Ich verlasse diese Welt lieber mit einem gesunden Körper, der echt und realistisch ist, als mit einem glattgebügelten. Denn wie sagt man so schön? Mit Würde alt werden – nicht mit Photoshop.
Alt werden können wir nicht verhindern. Aber wir können dafür sorgen, dass wir es mit Humor tun. Und mit einem Herzen, das jung bleibt. Und einem Kopf, der weiß: Schönheit ist vergänglich – aber Selbstironie ist für die Ewigkeit und was zählt, sind doch die inneren Werte.