Wer mit seinem Leben Frieden geschlossen hat, wer das Belastende und Verletzende loslassen konnte, der denkt nicht mehr darüber nach, was versäumt wurde oder was anders hätte sein können. Nur wer sich von inneren und äußeren Zwängen befreit, wer das Leben in seiner Fülle annimmt, kann auch den Herbst des Lebens mit Neugier und Freude genießen.
Der Herbst hält so vieles für uns bereit – wir müssen nur offen dafür sein.
Wir können tanzen wie die Blätter im Wind, uns kleiden in den leuchtenden Farben der Jahreszeit – warm, lebendig, voller Ausdruck. Und wir können klarer sehen, wie an jenen goldenen Herbsttagen, an denen der Blick in die Ferne uns den Atem raubt.
Selbst ein grauer, trüber Tag kann zu einem erfüllten und gemütlichen werden. Wenn das Feuer im Ofen leise knistert, erzählt mir das Holz von seinem erfüllten Leben im Wald. Gemütlich kuschle ich mich in meine Decke, die von meiner Mutter in liebevollen Stunden gestrickt wurde. Sie umhüllt mich nicht nur mit Wärme, sondern auch mit Geschichten, die in ihren Maschen wohnen. Sie wärmt und tröstet mich, wenn ich es brauche.
Ich halte meine bunte Tasse mit beiden Händen, betrachte sie mit einem Lächeln und lese die Worte, die darauf geschrieben stehen:
„Glück ist wie der Atem – du kannst ihn anhalten, ihn hastig ausstoßen, doch um wirklich zu leben, musst du ihn fließen lassen.“
Ein Geschenk von einem Menschen, der das Leben nicht nur kannte, sondern es mit offenen Armen empfing.
Der Duft meines Kräutertees steigt auf, warm und voller Erinnerungen. Ich denke zurück an jene sonnigen Tage, an denen ich die Kräuter achtsam geerntet habe.
Ich band sie zu kleinen Büscheln und hing sie zum Trocknen auf. Der Duft, der sich dabei löste, schien sich in mir festzuhalten, wie eine Erinnerung, die still weiterlebt.
Ich hab endlich Zeit ein Buch zu lesen, eines, das mich in die Ferne reisen lässt, zu Orte die es nur in meiner Fantasie gibt.
Und plötzlich in diesem Moment fällt mir eine Geschichte ein. Ja, die werde ich niederschreiben um sie in einem stillen Moment zu lesen und mich an diesen Herbst zu erinnern. Eigentlich dachte ich, heute würde ich nur rasten, doch ich spüre wie sich meine Gedanken überschlagen und ich voller Tatendrang bin. Ja, für mich ist dieser Herbsttag voller Überraschungen. Ich fühle mich lebendig, voller Ideen, ich möchte noch so viel erreichen.
Mein Blick gleitet aus dem Fenster, und ich freue mich über das schlechte Wetter – denn gerade dieses schenkt mir Ruhe und Zeit, alten Geschichten zu lauschen.
Es liegt an mir, was ich aus allem mache.
Ja, ich will den Herbst genießen – mit all seinen Facetten: Sonne, Regen, Nebel und Sturm. Denn der Herbst ist kein Ende, sondern ein Neubeginn. Pflanzen ziehen sich zurück, um im Frühling kraftvoll neu zu erwachen. Viele lassen ihre Samen los, damit neues Leben entstehen kann. Auch Tiere ziehen sich zurück, um später mit frischer Lebensfreude zurückzukehren.
Für mich ist der Herbst keine Zeit der Trauer oder des Verlusts. Er ist ein Innehalten, eine Jahreszeit der Dankbarkeit, des Planens und Gestaltens. Ich freue mich auf jeden einzelnen Tag – selbst auf die stürmischen. Denn gerade dann finde ich meine Ruhe.
