Der nächtliche Ruf

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Zur späten Stunde überkam mich plötzlich ein sonderbares Gefühl. Es war, als würde mich jemand rufen. Es war keine Stimme, die ich hören konnte, nur ein schönes warmes Gefühl, das mich nicht mehr losließ.

Ich zog mich warm an, denn es war eine wunderschöne, kalte, Sternenklare Nacht, und der Schnee hatte alles mit einer weißen glitzernden Decke überzogen.

Ich ging den Weg entlang, den ich schon so oft gegangen war. Ich wusste, dass ich an eine Stelle kommen würde, von der aus man über die Stadt blicken konnte, ein wunderschöner Anblick. Hier suche ich immer Antworten auf meine Fragen, wenn ich nicht mehr weiterweiß, oder wenn ich einsam bin, fühle ich mich hier geborgen.

Bereits von Weitem sah ihn, einen wunderschönen Engel. Er stand regungslos dort, und blickte über die Stadt.
Zuerst zaghaft, dann jedoch mit schnellen Schritten ging ich auf den Engel zu. Ich sagte nichts, ich genoss diesen wunderschönen Moment.

Plötzlich sagte eine sanfte, ruhige Stimme zu mir: „Ich habe dich gerufen, um dich zu erinnern.“

Ich sah den Engel erstaunt an.
„Woran erinnern?“, fragte ich flüsternd, aus Furcht, der Moment könne sonst zerbrechen.

Der Engel wandte den Blick von der Stadt und sah mich direkt an. In seinen Augen lag ein warmes, goldenes Leuchten.
„Daran, dass du nicht allein bist. Und daran, dass du alle Antworten in dir trägst, die du so lange gesucht hast.“

Ich spürte, wie sich etwas in mir löste, ein Knoten aus Sorgen, den ich schon so lange mit mir getragen hatte. Der Engel hob eine Hand, und es legte sich eine Ruhe und ein Wohlgefühl über mich, es war, als hielte die Welt den Atem an.

„Schau hinunter“, sagte er.

Ich tat es wie schon so oft, und sah die Stadt wie nie zuvor. Die Lichter wirkten heller, wärmender, lebendiger.

„Jeder trägt seine Lasten“, sprach der Engel weiter. „Doch du hast vergessen, wie viel Hoffnung du in dir trägst. Darum rief ich dich.“

Tränen stiegen mir in die Augen, nicht aus Traurigkeit, sondern aus einer tiefen, unerwarteten Ruhe.
„Was soll ich tun?“, fragte ich.

Der Engel lächelte.
„Erinnere dich immer an diesen Moment, wenn du wieder ratlos, einsam oder Probleme hast.  Dein Weg wird dich wieder hierherführen, und du wirst die Antworten finden.“

Ich blickte glücklich und zufrieden zur Stadt, und als ich wieder aufsah, war der Engel verschwunden.

Ich stand allein im Schnee, doch ich fühlte mich nicht einsam. Es war, als hätte die Winternacht mir ein Geschenk gemacht:
Die Gewissheit, dass ich meinen Weg finden würde.

Und so ging ich wieder langsam nachhause, mit einem Herzen, das leichter war als zuvor.

 

 

Über die Autorin
Bild von Liselotte

Liselotte

Seit vielen Jahren schreibe ich leidenschaftlich gerne und halte meine Gedanken, inspiriert durch Schicksale, Lebensveränderungen oder Erlebnisse auf Papier fest. Manchmal lustig, manchmal traurig, aber immer ein wenig zum Nachdenken.
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